Suchen im Blog
Zukunft der EU-Agrarpolitik: Einfache Lösungen gibt es nicht
Veröffentlicht am:
16.02.2025 16:09:07
Kategorie :
Allgemein
16.02.2025 - Für die komplexen Herausforderungen in der europäischen Agrarpolitik gibt es keine einfachen Lösungen.
Das war das Credo bei der Veranstaltung „The future of agriculture and food in a climate neutral and competitive EU“, bei der auf Einladung der Denkfabrik Agora Agrar am Dienstagabend (11.2.) in Brüssel Experten aus EU-Kommission, Wissenschaft und Verbänden über mögliche Zukunftsszenarien für die Agrarbranche diskutierten. Medienpartner des Gesprächsformats waren AGRA Europe und AGRA Facts.
Den Auftakt machte Dr. Theun Vellinga von der Universität Wageningen, der in Richtung der politischen Vertreter vor ebendiesen vermeintlich einfachen Lösungen warnte. Versuche, Ziele wie Nahrungsmittelsicherheit, Landnutzung, den Ressourcenschutz und sozioökonomische Aspekte unter einen Hut zu bringen, führten zu Dilemmata, die sich nicht ohne Weiteres auflösen ließen, warnte der Niederländer.
Als Beispiele für solche Zwickmühlen führte Vellinga Verfügbarkeit versus Bezahlbarkeit für bestimmte Güter oder aber die Erzeugung von tierischen kontra pflanzliche Proteine an. Der Wageninger Wissenschaftler riet deshalb dazu, stärker in dieser Komplexität zu navigieren. Realitäten müssten anerkannt werden. „Schmerzfreie Entscheidungen“ gebe es jedenfalls nicht, so das Fazit von Vellinga.
Den Leitsatz Vellingas, wonach es keine einfachen Lösungen gibt, kann auch der Co-Direktor von Agora Agrar, Prof. Harald Grethe, unterschreiben. Er nutzte die eigene Veranstaltung, um Details der im September letzten Jahres von der Denkfabrik vorgestellten Simulations-Studie zur Zukunft der Landnutzung in der Europäischen Union vorzustellen. Grethe rief dazu auf, aus der aktuell polarisierten Debatte herauszukommen.
Für den Co-Direktor von Agora Agrar steht fest, dass der Beitrag des Agrarsektors zum Klimaschutz bislang zu gering ist. Notwendig sei deshalb eine Gemeinsame Agrarpolitik (GAP), die auch öffentliche Güter mit einschließt. Grethe hält es für ratsam, die Klima- und Umweltpolitik stärker in den Landnutzungssektoren zu integrieren. Dafür sei aber ein „wohlwollendes“ politisches Umfeld notwendig.
Ähnlich äußerte sich auch die Co-Direktorin von Agora Agrar, Dr. Christine Chemnitz. Was der Agrarsektor aktuell vor allem brauche, sei politische Berechenbarkeit. Notwendig seien mehr Fördermittel für eine effizientere Flächennutzung, die einen nachhaltigen Konsum mit einschließt. Erzeuger müssten für ihre zusätzlichen gesellschaftlichen Leistungen wie Nachhaltigkeit entlohnt werden. Hierfür seien vor allem klügere Anreizsysteme erforderlich. Konkret forderte Chemnitz, die Land- und Forstwirtschaft in den Handel mit Emmissionsrechten aufzunehmen.
Ein sehr diverser Sektor
Der kommissarische Referatsleiter bei der Generaldirektion Landwirtschaft der EU-Kommission (DG AGRI), der Spanier Ricard Ramon, legte seinen Fokus auf die Leistungen des Agrarsektors in Sachen Emissionsreduktion. Die Produktion von Nahrungsmitteln gehe in der Regel immer auch mit der Emission von Treibhausgasen einher, erläuterte Ramon. Während die Emissionen im Agrarsektor zuletzt weitgehend auf einem konstanten Niveau verharrt seien, habe die Menge an erzeugten Nahrungsmitteln relativ dazu gesteigert werden können.
Darüber hinaus, so der Kommissionsbeamte, spreche man mit EU-weit rund 9 Mio. Landwirten über einen sehr diversen und fragmentierten Sektor. Politische Anreize sind daher für Ramon ein Schlüssel, um bestehende Herausforderungen erfolgreich anzugehen. Teilweise sei die aktuelle GAP mit den darin verankerten Eco-Schemes bereits auf einem guten Weg. Auf eine hinreichende Finanzierung des Agrarhaushalts angesprochen, setzt der Spanier neben einem starken EU-Agrarhaushalt auch auf ein stärkeres Engagement der Europäischen Entwicklungsbank (EIB).
Oftmals fehlende Perspektiven
Die Generalsekretärin des Rates der Europäischen Junglandwirte (CEJA), Marion Picot, verwies bei dem Gesprächsformat auf die fehlenden Perspektiven junger Menschen in der Landwirtschaft. Aktuell seien lediglich 6,5% der europäischen Landwirte jünger als 35 - maßgeblich aufgrund zunehmender wirtschaftlicher Schwierigkeiten auf den Höfen.
Als eines der Hauptprobleme hat der CEJA einen unzureichenden Zugang von Junglandwirten zu Agrarland ausgemacht. Gleichzeitig müssten auf der Absatzseite neue Märkte erschlossen werden. Für sinnvoll hält Picot beispielsweise den Einstieg in die Produktion von Biomaterialien, etwa für die Baustoffindustrie.
Andrea Di Tommaso, Senior Spezialist für nachhaltige Baumaterialien beim Baukonzern STRABAG, stellte wiederum klar, dass sein Sektor einem verstärkten Einsatz von Rohstoffen aus der Agrarproduktion offen gegenübersteht. Dies sei allein schon aufgrund neuer gesetzlicher Vorgaben erforderlich. Allerdings bestehe weiterhin ein Kostennachteil gegenüber konventionellen und vorwiegend auf fossiler Energie basierenden Rohstoffen. Entscheidend für den Markterfolg alternativer Materialien sei eine ausreichende Verfügbarkeit. Dies sei aktuell oftmals noch nicht der Fall, so der Italiener.