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WIdO-Analyse: Antibiotikaverbrauch nimmt wieder zu

Veröffentlicht am: 27.02.2025 17:11:38
Kategorie : Allgemein

27.02.2025 -Der Verbrauch von Antibiotika in Deutschland ist 2023 angestiegen und hat das präpandemische Niveau übertroffen. Auch Reserveantibiotika wurden wieder mehr verordnet. Experten fordern strengere Maßnahmen, um die Resistenzbildung einzudämmen.

Der Verbrauch von Antibiotika in Deutschland hat im Jahr 2023 erstmals wieder das Niveau von vor der Pandemie übertroffen. Laut einer aktuellen Analyse des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO) wurden im vergangenen Jahr 36,1 Millionen Packungen Antibiotika im Wert von 792,1 Millionen Euro zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) abgerechnet. Das entspricht einem Anstieg der Verordnungen um 18,4 % im Vergleich zum Vorjahr und einem Plus von 6,1 % gegenüber 2019.

Pandemiebedingter Rückgang

Während in den Jahren 2020 und 2021 ein deutlicher Rückgang bei den Antibiotikaverordnungen zu verzeichnen war, steigen die Zahlen seit 2022 wieder an. Der Einsatz von Reserveantibiotika erreichte 2023 wieder das Niveau von 2019. Diese Medikamente sollen aber eigentlich nur in Ausnahmefällen bei multiresistenten Erregern verordnet werden, da ihr unkontrollierter Einsatz die Gefahr von Resistenzen erhöht. Die abermals steigenden Verordnungszahlen deuten allerdings daraufhin, dass sie nicht immer zurückhaltend eingesetzt werden. Helmut Schröder, Geschäftsführer des WIdO, befürchtet Konsequenzen: „Der erneute Verordnungsanstieg von Antibiotika der Reserve ist besorgniserregend, denn er könnte die Gefahr von Resistenzen weiter verschärfen, was gerade im Falle von lebensbedrohlichen Erkrankungen dramatische Auswirkungen hätte.“

Regionale Unterschiede

Eine genauere Betrachtung der regionalen Verschreibungszahlen zeigt erhebliche Unterschiede: In Hamburg wurden 2023 nur 328 Antibiotikaverordnungen pro 1.000 GKV-Versicherte ausgestellt, während das Saarland mit 539 Verordnungen den höchsten Wert verzeichnete. Auch beim Einsatz von Reserveantibiotika gibt es deutliche Differenzen: In Bremen machten diese lediglich 33,3 % aller verordneten Antibiotika aus, während Mecklenburg-Vorpommern mit 53,4 % den höchsten Anteil aufwies. Diese Unterschiede werfen laut Schröder Fragen zur regionalen Verschreibungspraxis auf und sollten kritisch hinterfragt werden.

Tierhaltung: Antibiotikaverbrauch rückläufig

Während der Antibiotikaverbrauch in der Humanmedizin steigt, setzt sich der Abwärtstrend in der Tierhaltung fort. 2023 wurden in Deutschland insgesamt 529 Tonnen Antibiotika an Tierärzte abgegeben, 11 Tonnen weniger als im Vorjahr. Dieser kontinuierliche Rückgang ist unter anderem auf gesetzliche Maßnahmen zur Einschränkung des Antibiotikaeinsatzes in der Nutztierhaltung zurückzuführen.

Seit 2014 konnte die abgegebene Antibiotikamenge in der Tiermedizin um 57,3 Prozent gesenkt werden, während die Reduktion in der Humanmedizin lediglich 8,7 % betrug. Angesichts der Tatsache, dass Antibiotikaresistenzen sowohl Tiere als auch Menschen betreffen, betont Schröder die Notwendigkeit einer restriktiveren Verschreibungspraxis auch in der Humanmedizin.

Keine neuen Antibiotika 2023

Trotz der wachsenden Resistenzen blieb die Entwicklung neuer Antibiotika zuletzt nahezu aus. In den vergangenen zehn Jahren kamen lediglich acht neue antibiotische Wirkstoffe auf den Markt, und im Jahr 2023 wurde kein neuer Wirkstoff entwickelt. Die Bundesregierung hat mit dem Arzneimittel-Lieferengpassbekämpfungsgesetz (ALBVVG) finanzielle Anreize für die Forschung geschaffen, um neue Antibiotika zu entwickeln.

Weitere Maßnahmen erforderlich

Bisher bleibt jedoch fraglich, ob die aktuellen Maßnahmen ausreichen, um den dringenden Bedarf an neuen Medikamenten zu decken. „Der erneute Anstieg der Verordnungen von Antibiotika und Reserveantibiotika sowie die ausgetrocknete Pipeline neuer antibiotischer Wirkstoffe in den letzten Jahren machen den regulatorischen Handlungsbedarf deutlich“, sagt Schörder. Wichtig sei einerseits ein indikationsgerechter und zurückhaltender Gebrauch und andererseits die öffentlich finanzierte Forschungsförderung bei den pharmazeutischen Unternehmen.

Mit geeigneten Maßnahmen könnte sich die Zahl der Todesfälle infolge von Antibiotikaresistenzen reduzieren lassen. Laut dem Institut für Health Metrics und Evaluation sterben weltweit jährlich rund 1,3 Millionen Menschen daran. In Deutschland sind es bis zu 9.700 Fälle pro Jahr.

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