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Vogelgrippe breitet sich aus – Experten sehen (noch) kein Pandemie-Risiko
Veröffentlicht am:
11.02.2025 08:29:00
Kategorie :
Allgemein
11.02.2025 - Auf dem 12. Osnabrücker Geflügelsymposium gab es ein Update zur Vogelgrippe von Prof. Dr. Timm Harder vom FLI. Auch wenn über weltweite Fälle viel diskutiert und spekuliert wird: Eine Pandemie-Gefahr sieht der Wissenschaftler aktuell nicht – was sich je nach neuen Entwicklungen jedoch ändern könnte. Wachsamkeit bleibt oberstes Gebot.
Prof. Dr. Timm Harder ist Leiter des WOAH, FAO und nationalen Referenzlabors für Geflügelpest am Friedrich-Loeffler-Institut (FLI), Insel Riems. Er zeichnete auf dem 12. Osnabrücker Geflügelsymposium noch einmal den weltweiten Verbreitungsweg des Vogelgrippe-Virus nach.
Erstmals aufgetaucht vor knapp 30 Jahren bei Gänsen in China, wanderte es mit Zugvögeln zunächst über ganz Asien bis Europa und nach Afrika.
Von Europa brachten es ebenfalls Zugvögel ab 2021 nach Nordamerika, wo es sich sehr schnell verbreitete. 2022 gab es die ersten Fälle in Mittelamerika, 2023 in Südamerika und derzeit ist der Erreger „auf dem Sprung in die Antarktis“, so der Wissenschaftler.
Vogelgrippe weltweit: So hat sich das Virus verbreitet
In Deutschland wurde 2006 der erste Vogelgrippe-Fall dokumentiert. War das Geschehen in den ersten Jahren saisonal, ist das Virus seit etwa zwei, drei Jahren in der Wildvogelpopulation endemisch geworden. Geflügelhaltungen mit Kontakt nach draußen wie Freiland-Legehennenhaltungen oder Puten-Offenställe, sind nun ganzjährig gefährdet. Gleiches gilt für Zoos oder Tierparks, in denen Vögel draußen gehalten werden. Hier gab es jüngst in Deutschland immer wieder mal Fälle.
Als eher besorgniserregend bezeichnete Prof. Harder die seit 2020 zunehmenden Fälle von Vogelgrippe bei Säugetieren – auf allen Kontinenten. In Südamerika waren zuletzt große Robbenkolonien massiv betroffen. Heute gebe es zudem Hinweise, dass das Vogelgrippe-Virus wahrscheinlich viel verbreiteter bei Säugetieren ist als sich aufgrund von einzelnen Totfunden zeigt. So ergab eine kürzliche Antikörper-Untersuchung bei (jagdlich) erlegten Säugern auf Rügen, dass etwa 20 Prozent der Tiere einen Kontakt mit dem Vogelgrippe-Virus überlebt haben mussten.
Gefahr für Nutztiere: Milchvieh-Infektionen in den USA alarmieren Forscher
Was die Wissenschaft wirklich überraschte, waren laut Prof. Harder die massiven Infektionen von Milchkühen in den USA. Seit April vergangenen Jahres sind knapp 1.000 Farmen in 16 US-Bundesstaaten betroffen. Von den im etwa gleichen Zeitraum aufgetretenen 66 menschlichen Infektionen betrafen zwei Drittel Mitarbeitende auf infizierten Milchviehfarmen. Das restliche Drittel infizierte sich bei Geflügel, allerdings in Geflügelbeständen, die wiederum Kontakt zu den infizierten Milchviehfarmen hatten.
Inzwischen ist nachgewiesen, dass eine Infektion bei Milchvieh nur über das Euter erfolgen kann, die Tiere reagieren mit einer Mastitis. Durch Pasteurisierung wird der Vogelgrippe-Erreger in der Milch abgetötet, in Rohmilch bleibt er jedoch infektionstüchtig.
In Deutschland kein Milchvieh betroffen
Am FLI wurde im vergangenen Jahr ein Infektionsversuch bei Milchkühen durchgeführt, man testete ein amerikanisches H5N1 Virus-Isolat aus Milchkühen sowie ein hiesiges H5N1 Isolat von einem Wildvogel. Bei beiden entwickelten die Milchkühe eine schwere Mastitis. Die gute Nachricht für Deutschland: Bislang gibt es auf der Basis umfangreicher Tankmilchuntersuchungen keine Hinweise von Milchvieh-Infektionen in hiesigen Betrieben.
Bekanntlich hat es in der EU einen Paradigmenwechsel gegeben, was die Bekämpfung der Vogelgrippe angeht. Die Impfung wurde als zusätzliches Element der Bekämpfungsstrategie zugelassen. Wirksame Vakzinen sind vorhanden, einige bedürfen jedoch noch einer Zulassung für die EU. Das Hauptproblem bei einer Impfung ist neben der Beeinträchtigung des Handels die sehr aufwändige und teure Überwachung geimpfter Bestände. Letztere ist zwingend vorgegeben und muss aktuell durch regelmäßige Beprobungen einer Stichprobe der geimpften Tiere erfolgen.
EU setzt auf Impfung – aber Überwachung bleibt Herausforderung
Laut Prof. Harder wird die entsprechende EU-Verordnung derzeit überarbeitet, so dass diese Überwachung ggf. vereinfacht würde. Im Gespräch seien die Beprobung von Falltieren oder Umgebungsproben (Tränken, Einstreu, Stallstaub).
Eine (vorläufige) Absage erteilte er den wiederkehrenden Spekulationen, dass das aktuelle Vogelgrippe-Virus zum nächsten Pandemie-Virus werden könne. Seine Argumentation: Das Vogelgrippe-Virus zirkuliert mittlerweile seit fast 30 Jahren bei Geflügel und Wildvögeln, ohne dass es echten, dauerhaften Halt in Säugetieren oder im Menschen gefunden habe. Ältere H5N1-Linien hatten, so der Wissenschaftler, ein höheres Zoonose-Potenzial als die aktuell kursierenden Linien.
Warum die Pandemie-Gefahr (noch) gering ist – und was sich ändern könnte
Diese momentane Einschätzung könne sich jedoch ändern, wenn das Virus in noch stärkerem Maße Säugetiere infizieren würde und säuger-spezifische Linien wie jüngst bei Robben in Südamerika bilden würde. Auch der Viruseintrag auf breiter Front in die Lebensmittelketten in den USA wäre mit erheblichen Risiken verbunden, wenn der Vogelgrippe-Erreger in der Kuhmilch nicht durch das Pasteurisieren der Milch abgetötet würde.
H5N1 und Schweinebestände: Das unterschätzte Risiko
Nicht zu unterschätzen sei auch die Gefahr, die bei einem Einbruch von H5N1 in Schweinebestände auftreten könnte: Hier besteht die Möglichkeit der Vermischung (Reassortierung) des H5N1 Genoms mit Schweineinfluenzaviren, die zum Teil bereits Anpassungen an den Menschen aufwiesen.
Genaues Beobachten ist höchstes Gebot
Vor dem Hintergrund dieser Unwägbarkeiten ist das genaue Beobachten der Vogelgrippe-Vorkommnisse weltweit oberstes Gebot. Surveillance sei das A und O, um neue Entwicklungen sehr frühzeitig zu erkennen und ggf. reagieren zu können: „Wir müssen auf Vieles gefasst sein, was wir uns heute noch nicht denken können“, warnte Prof. Harder.
In der EU sind Vogelgrippe-Impfstoffe für Menschen zugelassen. Im vergangenen Jahr gab es eine Abfrage der EU zum Bedarf, etwa für Mitarbeitende in Geflügelbetrieben, Schlachthöfen oder für Tierärzte. Die Resonanz war jedoch gering… .