Suchen im Blog
Strategischer Dialog: Rukwied vermisst Kursänderung
Veröffentlicht am:
08.09.2024 16:00:05
Kategorie :
Allgemein
08.09.2024 - Enttäuscht auf den Abschlussbericht des Strategischen Dialogs zur Zukunft der europäischen Landwirtschaft hat der Deutsche Bauernverband (DBV) reagiert.
„Der Bericht liest sich in vielen Themen wie eine Bestätigung des bisherigen Kurses der Kommission ohne den notwendigen kritischen Rückblick auf das vergangene Mandat“, sagte DBV-Präsident Joachim Rukwied am Mittwoch (4.9.) in Berlin. Die erhoffte agrarpolitische Kursänderung sei nicht zu erkennen.
Raiffeisenpräsident Franz-Josef Holzenkamp verwies auf die Erfahrungen mit der Zukunftskommission Landwirtschaft (ZKL): „Das Wichtigste ist nun, ins Machen zu kommen.“ Ein Zögern und Zaudern wie in Deutschland dürfe sich auf europäischer Ebene nicht wiederholen.
Zufrieden äußerten sich die Umweltverbände. Der Bericht liefere wichtige Impulse für eine nachhaltigere und zukunftsfähige Agrarpolitik in Europa, erklärte der Präsident des Deutschen Naturschutzrings (DNR), Prof. Kai Niebert. Er rief EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen auf, den Bericht als konkreten Handlungsauftrag aufzugreifen und unmittelbar in den Arbeitsplan ihrer Kommission zu integrieren.
Grundlage für weitere Diskussionen
Rukwied erinnerte daran, dass die Landwirte im vergangenen Winter für weniger Bürokratie und ein besseres Einkommen demonstriert hätten. Zudem seien sie auf die Straße gegangen, um Ernährungssicherheit und Wettbewerbsfähigkeit ein größeres Gewicht in der EU-Agrarpolitik einzuräumen. Diese Punkte finden sich dem DBV-Präsidenten zufolge nicht hinreichend im vorgelegten Bericht wieder.
Zwar sei zu begrüßen, dass die EU-Kommission die Verbände in die Gestaltung der künftigen Agrarpolitik einbeziehe. Bei den Ergebnissen müsse jedoch noch nachgearbeitet werden, mahnte Rukwied. Für ihn ist der Abschlussbericht ein Arbeitsdokument, das die Grundlage für weitere Diskussionen bietet. Die neue Kommission sei gefordert, weiter den Dialog mit den direkt Betroffenen, den Landwirtinnen und Landwirten, zu suchen.
Eine enge und transparentere Einbindung der Landwirtschaftsverbände in den Mitgliedstaaten sei eine Grundlage für Vertrauen der Landwirte in die EU-Politik. Das müsse auch die Prämisse bei der Ausarbeitung kommender Kommissionsvorschläge sein.
„Wir brauchen eine echte, ehrliche und fortlaufende Einbindung des Berufsstandes in neue Kommissionsvorschläge und transparente Prozesse“, forderte der Präsident des Bayerischen Bauernverbandes (BBV), Günther Felßner. Bei der strategischen Ausrichtung der EU-Agrarpolitik und der Erarbeitung von konkreten Maßnahmen müsse man sich auf Augenhöhe begegnen. „Anstatt an den Katzentisch muss die Landwirtschaft an den Kommissionstisch“, so Felßner. Es ist nicht getan mit einem Dialogprozess, „bei dem Vertreter aus der Landwirtschaft nur einer von vielen Akteuren sind“.
Schlüsselrolle der Genossenschaften
„Umweltschutz und Ernährungssicherheit müssen zusammen gedacht werden“, bekräftigte Holzenkamp. Für den Präsidenten des Deutschen Raiffeisenverbandes (DRV) zeigt der Brüsseler Abschlussbericht zu Recht, dass die Produktion von gesunden und bezahlbaren Lebensmitteln in Europa eine große Bedeutung habe.
Ohnehin sehe der DRV viele seiner langjährigen Positionen in den Empfehlungen aufgenommen: „Verlässliche finanzielle Unterstützung bei der Umsetzung von mehr Umweltschutz und dem Umbau der Tierhaltung, freie Märkte, die Ausrichtung auf wettbewerbsfähige Nachhaltigkeit sowie mehr Fairness entlang der gesamten Wertschöpfungskette sind für unsere Unternehmen von großer Bedeutung“, betonte Holzenkamp. Bei der Umsetzung müsse das Level Playing Field des Binnenmarkts gelten.
Der DRV-Präsident hob hervor, dass der Strategische Dialog den Genossenschaften explizit eine Schlüsselrolle auf dem Weg hin zu einer nachhaltigen Landwirtschaft einräume und für eine Stärkung des Genossenschaftsmodells plädiere. Das sei der richtige Ansatz: „Genossenschaften stehen für sinnvolle Kooperation, Mitbestimmung, Transparenz sowie die Symbiose von wirtschaftlichem Streben und sozialer Verantwortung.“
Vorbildfunktion des Ökolandbaus
Für den Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) ist die Aussage im Abschlussbericht zentral, „der Ökolandbau hat eine Vorbildfunktion“. Die biologische Landwirtschaft, die ohne chemisch-synthetische Pestizide und ohne mineralischen Stickstoffdünger auskomme, werde noch einmal EU-weit aufgewertet, so BÖLW-Vorstandsvorsitzende Tina Andres. „Bitter nötig“ sei auch die Empfehlung, Umwelt- und Klimaleistungen künftig so zu honorieren, dass sie echte Anreize für die Bäuerinnen und Bauern darstellen.
Kritisch wertet Andres, dass jegliche Ziele und Zeitpläne fehlten und die verbindlichen Ziele der Farm-to-Fork-Strategie der EU nicht mehr gelten sollten. „Ohne diese Vorgaben dürften die Klima- und Biodiversitätsziele vom Agrarsektor weiterhin verfehlt werden.“ Das gefährde die Sicherheit unserer Ernährung.
Relevanter Beitrag zur Politikberatung
Aus Sicht von DNR-Präsident Kai Niebert bietet der Brüsseler Bericht einen Kontrast zur aktuellen agrarpolitischen Diskussion: „Während die Bauernverbände zunehmend polemisch gegen jegliche Umwelt- und Klimagesetzgebung opponieren, bekennen sich die Teilnehmenden des Strategischen Dialogs nun klar zur Umsetzung der Naturschutzrichtlinien, der Nitratrichtlinie oder des Nature Restoration Laws.“ Auch die Forderung nach einem Fonds zur Wiederherstellung der Natur sei ein wichtiges Signal für Landwirtschaft und Naturschutz.
Wenngleich viele Maßnahmen fehlten oder zu unkonkret seien, biete der Bericht wichtige Empfehlungen für eine Transformation des Agrar- und Ernährungssektors sowie für die anstehende Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP). „Damit ist ein relevanter Beitrag zur Politikberatung gerade in gesellschaftlich zunehmend polarisierten Zeiten gelungen“, betonte Niebert.
Chance zum echten Wandel
Eine große Bedeutung misst auch der Präsident vom Naturschutzbund Deutschland (NABU), Jörg-Andreas Krüger, dem vorgestellten Abschlussbericht bei: „Der heutige Tag könnte einen Neubeginn hin zu einem nachhaltigeren, widerstandsfähigeren und gerechteren Agrarsystem in der Europäischen Union markieren.“ Krüger zufolge sind die bisherigen agrarpolitischen Instrumente an ihre Grenzen gestoßen und müssen grundlegend reformiert werden. Nur so können die Landwirtschaft in Europa natur- und klimaverträglich und damit zukunftsfähig gemacht werden.
Auch für die Agrarpolitik in Deutschland sende dieser Konsens ein klares Signal. Die Transformation der Landwirtschaft sei jedoch kein Selbstläufer, wie der noch nicht umgesetzte Abschlussbericht der deutschen Zukunftskommission Landwirtschaft deutlich zeige. Krüger: „Echte Veränderung braucht entschiedenes politisches Handeln, damit es nicht bei den von den Stakeholdern erarbeiteten Empfehlungen bleibt.”
Lesen Sie auch: Özdemir sieht seinen Kurs bestätigt