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Schwere Zeiten für den Wolf
Veröffentlicht am:
13.02.2025 18:24:03
Kategorie :
Allgemein
13.02.2025 - Auf diese Meldung hat Wildtier-Expertin Christiane Schröder schon lange gewartet. Wie das Landesamt für Umwelt (LfU) jetzt auf einer Webseite mitteilt, sind die registrierten Wolfsrisse an Nutztieren im vergangenen Jahr in Brandenburg um rund 40 Prozent zurückgegangen.
«Das sind mit etwas über 1.000 Wolfsrissen immer noch zu viele, der Rückgang zeigt aber, dass die Schutzmaßnahmen der Tierhalter wirken», sagt die Biologin, die Wölfe in Brandenburg viele Jahre beobachtet hat und Geschäftsführerin des Naturschutzbunds (Nabu) in Brandenburg ist. Nach Zahlen des LfU hat es im vergangenen Jahr 279 Angriffe auf Nutztiere gegeben, 79 weniger als 2023. Die Zahl der Wolfsrisse verringerte sich sogar um 418 auf 1.047. Einen so starken Rückgang der Tierschäden hat es in Brandenburg seit ihrer Registrierung im Jahr 2007 nicht gegeben.
Die anhaltenden Schäden durch die streng geschützten Wölfe führt das LfU hauptsächlich auf die noch immer nicht flächendeckenden Herdenschutzmaßnahmen zurück. In 83 Prozent aller Schadensfälle habe es keinen oder nur geringen Schutz der Tiere gegeben. In weiteren fünf Prozent konnte ein Herdenschutz nicht eingeschätzt werden. Und nur zwölf Prozent aller Risse seien trotz eines guten Herdenschutzes entstanden. In diesen Fällen kann ein Wolf bei mehrfachen Übergriffen trotz Zauns laut brandenburgischer Wolfsverordnung erschossen werden.
Koalition programmiert härteren Kurs gegen den Wolf
Doch der neuen SPD-BSW-Koalition in Brandenburg reicht die Wolfsverordnung nicht aus. Im Koalitionsvertrag verabredeten sie eine Novellierung der Jagdverordnung und ein Bestandsmanagement für Wölfe und Biber. Der neue Staatssekretär im Agrarministerium, Gregor Beyer, ein passionierter Jäger, will den Zuwachs der Wölfe schon lange durch die Jagd verringern. Als langjähriger Geschäftsführer des Forums Natur Brandenburg, das auch Landwirte und Jägern vereint, forderte er schon 2018 ein «aktives Wildtiermanagement», und Areale, in denen verschiedene Tierarten gejagt werden müssen - «und sei es beispielsweise nur um die Scheu des Wolfes zu garantieren». Zu diesem Zeitpunkt waren laut Wolfsmonitoring erst 26 Rudel und 17 Paare in Brandenburg registriert, weniger als die Hälfte des heutigen Bestands von 58 Rudeln und acht Paaren. Mitte 2023 forderte Beyer den jährlichen Abschuss von mindestens 80 Wölfen.
Neuer Agrar-Staatssekretär will Wolf zur Chefsache machen
Auf Veranstaltungen mit Landwirten und Jägern kündigte der neue Agrar-Staatssekretär kürzlich erste Vorhaben an. So wolle er die Jagd- und Forstwirtschaft zur Chefsache mit einer eigenen Stabsstelle in seinem Ministerium machen. Der Wolf soll ins Jagdrecht übernommen werden und es soll feste Abschussquoten geben. Die Wolfspopulation in Brandenburg schätzt er auf «deutlich über 2.000 Wölfe». Wildtierexperten und Naturschützer warnen derweil vor Abschussquoten für Wölfe. Vermehrte Entnahmen könnten das Problem sogar verschärfen, da sie in die Rudelstruktur eingriffen und das Jagdverhalten der Tiere veränderten, sagt der Geschäftsführer des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND) in Brandenburg, Axel Kruschat.
Bauern- und Jägerverbände hätten mit ihren Behauptungen, nur Wolfstötungen könnten Tierschäden verhindern, die Akzeptanz wirksamer Herdenschutzmaßnahmen untergraben. «In 80 Prozent aller Rissfälle hat es keinen oder nur einen unzureichenden Herdenschutz gegeben», betont Kruschat. Negative Folgen ungezielter Wolfstötungen bestätigen auch wissenschaftliche Forschungen, wie mehrere Autoren in einer Literaturübersicht mit dem Titel «Wie lassen sich Nutztierübergriffe durch Wölfe nachhaltig minimieren», feststellen. «Wird ein Elternteil eines Rudels getötet, steigt der Druck auf das verbliebene Elterntier, ausreichend Nahrung für die Welpen herbeizuschaffen», sagt eine der Autorinnen der Studie, Ilka Reinhardt, Mitgründerin des Instituts für Wolfsmonitoring und -forschung, Lupus, im sächsischen Spreetal. Dadurch erhöhe sich in einem Gebiet mit ungeschützten Schafen die Wahrscheinlichkeit, dass es durch den Abschuss eines Elterntieres zu höheren Schäden komme.
Expertin: Auch Entnahme ganzer Rudel keine Lösung
Reinhardt zufolge haben Erfahrungen in den USA und in Europa gezeigt, dass Schutzmaßnahmen ohne Wolfsabschüsse den Verlust von Nutztieren mehr einschränken als die Jagd des Raubtieres. «Auch die Entnahme ganzer Rudel ist keine dauerhafte Lösung», sagt die Biologin. Nach einigen Wochen oder Monaten hätten sich in dem vermeintlich wolfsfreien Gebiet neue Rudel angesiedelt. «Es gibt keinen wirksameren Schutz für Nutztiere vor Schäden als Elektrozäune und Herdenhunde.» Noch immer gebe es allerdings zu viele Tierschäden durch fehlende, unzureichende oder defekte Zäune. Auf eine Zahl über den Wolfsbestand in Brandenburg will sich Reinhardt nicht festlegen. «Wolfsrudel sind in der Regel zwischen fünf und zehn Individuen groß. Es können mal drei sein, selten mal 20.»
Ex-Umweltminister: "Absoluter Irrweg" der neuen Wolfspolitik
Einen «absoluten Irrweg» nennt Ex-Umweltminister Axel Vogel (Grüne) die neue Wolfspolitik Brandenburgs. «Bei einer Quotenregelung mit Abschusszahlen werden die dummen Wölfe erwischt, die dem Jäger vor die Flinte laufen und nicht die, die intelligent sind und sich an Nutztieren vergreifen», sagt Vogel. Ziel müsse es sein, dass Schadwölfe so schnell wie möglich unbürokratisch entnommen werden können. Auch Nabu-Expertin Schröder sieht in der pauschalen Wolfsjagd eine Gefahr für die Tierbestände. «Die Jagd verursacht mehr Bewegung und Stress für die Wölfe. Sie sind dadurch gezwungen, schneller Beute zu machen. Da sind schlecht geschützte Nutztiere leichte Opfer.» Im Übrigen flache die Wachstumskurve der Wolfspopulation in Brandenburg ab. «Die Reviere sind im Süden flächendeckend aufgeteilt, im Norden ist das noch nicht der Fall», erklärte Schröder. Daher seien die Wolfsschäden dort auch wegen unzureichender Schutzmaßnahmen aktuell noch etwas höher.