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Die Bedeutung von AMS-Daten für die tierärztliche Betreuung von Milchkuhherden
Veröffentlicht am:
11.02.2025 08:59:39
Kategorie :
Rinder
Autor: EG Hellwig, Fachtierarzt & Agrarwissenschaftler, Agrar- und Veterinär-Akademie (AVA) EG Hellwig, Birkenweg 7, Steinfurt
11.02.2025 - Automatische Melksysteme (AMS) haben die Milchviehhaltung revolutioniert, indem sie nicht nur den Melkprozess automatisieren, sondern auch eine Fülle von Daten liefern, die für die tierärztliche Betreuung der Herde von entscheidender Bedeutung sind. Diese Daten ermöglichen eine kontinuierliche Überwachung der Tiergesundheit, insbesondere der Eutergesundheit, und helfen, Krankheiten frühzeitig zu erkennen und zu behandeln. Für Tierärzte ist es wichtig, die relevanten Daten zu kennen, ihre Normalwerte zu verstehen und Abweichungen zu interpretieren, um die Gesundheit der Herde optimal zu unterstützen.
Wichtige Daten aus dem AMS für die Tiergesundheit
1. Milchmenge pro Melkung:
Die Milchmenge ist ein zentraler Indikator für die Gesundheit und Leistungsfähigkeit der Kuh. Normalerweise produzieren Milchkühe je nach Rasse und Laktationsstadium zwischen 20 und 40 Liter pro Tag. Ein plötzlicher Rückgang der Milchmenge kann auf Stress, Futterumstellung oder Krankheiten wie Mastitis hinweisen. Tierärzte sollten besonders auf wiederholte Abweichungen von der individuellen Norm achten.
2. Leitfähigkeit der Milch:
Die elektrische Leitfähigkeit der Milch ist ein wichtiger Parameter zur Erkennung von Euterentzündungen (Mastitis). Normalwerte liegen zwischen 4,0 und 6,0 mS/cm. Ein Anstieg der Leitfähigkeit deutet auf eine erhöhte Ionenkonzentration hin, die oft mit Entzündungen einhergeht. Tierärzte sollten Alarmmeldungen des AMS zu erhöhten Leitfähigkeitswerten ernst nehmen und die betroffenen Kühe gezielt untersuchen.
3. Zellzählung (SCC):
Die somatische Zellzahl (SCC) in der Milch ist ein weiterer Schlüsselindikator für die Eutergesundheit. Normalwerte liegen unter 100.000 Zellen/ml. Werte über 200.000 Zellen/ml deuten auf eine subklinische Mastitis hin, während Werte über 500.000 Zellen/ml auf eine klinische Mastitis hindeuten. Das AMS kann diese Werte kontinuierlich erfassen und dem Tierarzt frühzeitig Hinweise auf Entzündungen geben.
4. Milchtemperatur:
Die Milchtemperatur wird mithilfe von Infrarotsensoren gemessen. Normalerweise liegt sie bei etwa 37 °C. Eine erhöhte Milchtemperatur kann auf eine Entzündung oder Infektion hinweisen. Tierärzte sollten bei Abweichungen von mehr als 1–2 °C weitere Untersuchungen einleiten.
5. Aktivität und Melkverhalten:
Das AMS zeichnet die Aktivität der Kühe (z. B. Schritte pro Tag) und ihr Melkverhalten (z. B. Häufigkeit und Dauer der Melkungen) auf. Eine reduzierte Aktivität oder ein verändertes Melkverhalten können auf Schmerzen, Lahmheit oder andere Gesundheitsprobleme hinweisen. Normalerweise melden sich Kühe 2–4-mal täglich am Melkroboter. Abweichungen davon sollten Anlass zur Untersuchung geben.
6. Milchfluss und Melkdauer:
Ein normaler Milchfluss liegt bei etwa 2–4 kg/min, und die Melkdauer beträgt typischerweise 5–7 Minuten. Verzögerungen oder Unterbrechungen im Milchfluss können auf Euterprobleme oder Stress hinweisen.
Worauf Tierärzte bei AMS und Eutergesundheit achten müssen (siehe auch den Workshop: AMS für Tierärzte)
Tierärzte müssen bei der Nutzung von AMS-Daten besonders auf folgende Aspekte achten:
- Datenqualität: Die Genauigkeit der Sensoren und die regelmäßige Wartung des Systems sind entscheidend, um verlässliche Daten zu erhalten.
- Individuelle Baselines: Jede Kuh hat individuelle Normalwerte. Abweichungen sollten immer im Kontext der individuellen Leistungsdaten betrachtet werden.
- Frühwarnsysteme: Das AMS sollte so eingestellt sein, dass es frühzeitig auf Abweichungen hinweist, um rechtzeitig eingreifen zu können.
- Zusammenarbeit mit Landwirten: Tierärzte sollten Landwirte schulen, um sicherzustellen, dass Alarme korrekt interpretiert und Maßnahmen umgesetzt werden.
Abweichende Werte und ihre Bedeutung
Abweichende Werte sind dann von großer Bedeutung, wenn sie auf eine akute oder chronische Gesundheitsgefährdung hinweisen. Beispielsweise:
- Ein plötzlicher Anstieg der Leitfähigkeit und Zellzählung bei gleichzeitigem Rückgang der Milchmenge deutet auf eine Mastitis hin.
- Eine reduzierte Aktivität und veränderte Melkfrequenz können auf Lahmheit oder andere Schmerzzustände hinweisen.
Fazit
Die Daten aus automatischen Melksystemen bieten Tierärzten ein wertvolles Werkzeug zur Überwachung und Verbesserung der Tiergesundheit. Durch die gezielte Nutzung dieser Daten können Krankheiten frühzeitig erkannt, Behandlungen präziser gestaltet und das Tierwohl insgesamt verbessert werden. Tierärzte müssen jedoch die Normalwerte kennen, Abweichungen richtig interpretieren und eng mit den Landwirten zusammenarbeiten, um das volle Potenzial der AMS-Daten auszuschöpfen.
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Zur Thematik bietet die AVA einen Workshop - mit Besuch eines AMS-Milchviehbetriebs, speziell für Tierärzte und Tierärztinnen an. Der süddeutsche Termin am 5.3.2025 ist bereits ausgebucht. Beim Termin am 12. 03. im Münsterland (Steinfurt) gibt es noch freie Plätze.